Was wir von Jonathan lernen können

von Franziska Hengl

Was wir von Jonathan lernen können.

 

„Der ganze Körper ist von einer Flügelspitze zur anderen nichts anderes als Gedanke.

Geist in sichtbarer Gestalt.

 

Durchbrecht die Beschränktheit eures Denkens, und ihr zerbrecht damit auch die Fesseln des Körpers.“


"Die Möwe Jonathan": ein Geschenk meiner lieben Schwester und eine sehr inspirierende Lektüre, die mich irgendwie das Fliegen gelehrt hat. 

  

Immer wieder während des Lesens dachte ich: Ja, ja genau! Oder: Das geht mir auch so. Und was machen wir jetzt damit?

Das Buch

„Der Roman schildert in drei Teilen das Leben der Möwe Jonathan, die sich durch ihre individuelle Lebensweise von ihren Artgenossen abhebt. Die Möwe strebt Perfektion im Fliegen an und wird daher von den anderen Möwen ausgegrenzt. Diese setzen ihre beschränkten und mittelmäßigen fliegerischen Fähigkeiten nur zur Futtersuche ein, als Mittel zum Zweck. Sie fliegen, um zu leben. Jonathan dagegen will seine Flugkunst vervollkommnen. Er will leben, um zu fliegen. Er übt sich im Sturzflug, um Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, in Loopings und ähnlichen flugakrobatischen Kunststücken. Er will über den Durchschnitt hinaus und das Außerordentliche erfahren. Das Lernen und Streben nach Neuem und Unbekanntem, wovon die Freiheit des Fliegens nur ein Beispiel ist, ist Jonathan der Sinn seines Daseins, wozu er aber den Keim in jeder Möwe angelegt erkennt. Weil er damit „gegen die Würde und die Traditionen der Möwensippe“ verstößt, wird er vom Ältestenrat des Möwenschwarms verbannt. Trotz der Ausgrenzung gibt er nicht auf, sondern hält leidenschaftlich an seinen Zielen fest. „Du kannst erreichen, was du wirklich willst“ heißt das Motto.“ (Zusammengefasst aus der Wikipedia)

Fliegen und Perfektion

Nach dem Buch habe ich die Gedanken schweifen lassen ...

 

Was heißt dieses Fliegen denn für den Menschen? Was ist unsere Kunst, die wir zur Perfektion erlernen können?

Jeder Mensch hat wohl seine eigene Kunst, seine eigene Aufgabe und Fähigkeiten: Handwerk, lesen, schreiben, denken… denken? Das können wir alle, wenn wir keine Beeinträchtigungen diesbezüglich haben. Aber ist das Denken die Kunst, die wir perfektionieren können?

  

Jonathan lernt irgendwann, den Ort zu wechseln ohne Zeit zu brauchen, also er ist schon dort. Er lernt, dass wir nur Grenzen erleben, weil wir sie erdenken. 

Dann ist es noch etwas anderes als Denken… so etwas wie bewusstes Denken oder ein Denken, welches alles andere mit einbezieht: Körper, fühlen, alle möglichen Intelligenzen, Spiritualität oder etwas, was höher hinaus geht als das rationale Denken.

Ist es Bewusstheit, Erwachen? Irgendsoetwas ...

  

Denkpause.


Die schöne Welt huscht an mir vorbei. Der Zug rollt kraftvoll durch sie hindurch.

Ich fliege. Ich fliege plötzlich.

Eine ungeahnte Kraft und Verbindung taucht in mir auf und ich merke, dass ich immer fliegen wollte, mich nicht getraut habe, tausend Ausreden finde - und eigentlich fliege ich längst. Ich tue es längst, ohne es wirklich zu wissen. Und ich erinnere mich, dass ich Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt habe, Loopings über Loopings geflogen bin und mir dessen bewusst war, aber nicht so bewusst ... also so, dass ich wusste: Ja, das ist Fliegen.

Ist dann das Fliegen, wie es für die Möwen ist, die Bewusstheit für die Menschen??

 

Egal welche Kunst ich heranziehe, Spurenlesen, Tischlern, Denken, Bauen, Singen ... bei allen steht am Ende das Gleiche: das bewusste Tun und das bis zur Perfektion zu üben, durch das Licht der Bewusstheit, in Grenzen und Unbekanntem - und dadurch weiterkommen.

 

Jonathan fragt sich immer wieder, warum es zu den schwierigsten Dingen auf der Welt gehört, eine Möwe davon zu überzeugen, dass sie frei ist und dass sie diese Freiheit auch selbst erproben kann und selbst erzeugen muss.

 

Diese Frage stelle ich mir bei den Menschen auch. Ist es so schwer, bewusst zu handeln? Sich immer wieder mit sich selbst zu beschäftigen, zu lauschen, zu verstehen, zu forschen, zu spielen? Ich sehe auch, dass wir auf einem großartigen Weg sind und es immer mehr Menschen gibt, die bewusst leben, auf sich achten, auf ihre Mitmenschen. Und Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind ein großes Thema.


Jetzt kommt mir die Frage auf: Wie und wann kriegen wir die kritische Masse dazu?

Weisheiten, die ich aus dem Buch ziehe

  • Es gibt mehr als den greifbaren Erfolg.
  • Menschen können Befriedigung in einer Sache finden, von der sie überzeugt sind, auch wenn sie sich damit gegen die Welt stellen.
  • Menschen sind frei für das Abenteuer der Persönlichkeit.
  • Üben, üben, üben – dann erlangen wir Meisterschaft. Auch bei natürlicher Begabung können wir noch weiterlernen, höher fliegen. Es braucht das Dranbleiben, das Tun, das Üben, das Lernen.
  • Die Grenzen liegen in unserem Denken - wir schaffen sie selbst.

Die Jünger - oder wie das Lernen verschwand

Es gibt jetzt noch einen 4. Teil über Jonathan von Richard Bach. Die „Jünger“ von Jonathan Livingston Seagull haben seine Message verstanden und verbreiteten sie, lehrten die Kunst des Fliegens.

 

Aber die Möwen begannen zu fragen: Wie genau hat Jonathan das gesagt? Machte der heilige, große Jonathan einen oder zwei Schritte beim Starten? Sie nannten ihn die "Große Möwe" und er wurde mehr und mehr zum Heiligen.

 

Es entstanden Rituale, Kirchen und Leute, die seine Lehren predigten. Immer weniger lernten die Kunst des Fliegens. Die, die bei Jonathan gelernt hatten, starben nach und nach. Es entstand ein Kult, eine Religion, die über die Kunst des Fliegens erzählten und Jonathan heiligten, aber niemand übte und lernte.

 

 

Es entstand eine Gegenbewegung. Sie hatten nichts mit dem Fliegen zu tun, sie verleugneten den Namen Jonathan und die Studierenden, aber sie übten, waren neugierig und begannen zu fragen. Eine ambitionierte Möwe glaubt nicht und hatte so keinen Sinn mehr. Ohne jemand, der ihm seine Fragen beantwortete, ihm zeigte und er erlebte, was da gepredigt wird, wäre alles sinnlos. Bei seinem Versuch, sich ins Meer zu stürzen, begegnet er einer Möwe, die all das zum Spaß machte und um ihn herum die kühnsten Flugkünste vollführte – sie nannte sich Jon.

Wie kommen wir Menschen also aus unserer Misere heraus?

Wir leben nicht mehr das, was uns unsere Götter einst vorführten. Wir heiligen sie nur noch oder verleugnen sie. Wir haben Religionen daraus gemacht oder sind Aufgeklärte oder Atheisten. Das wiederum ist eine wunderbare Erkenntnis. Wir brauchen uns nur die alten Lehren anschauen und diese praktizieren.

Damit meine ich nicht Rituale und irgendwen preisen - oder auch verleugnen. Sondern es waren Werte und Bewusstheit, die jetzt nur noch in den Büchern stehen, Dogmen sind, aber mehr auch nicht.


Lasst uns diese Gebote, und wie sie alle heißen, wieder beleben, sie üben, uns gegenseitig zeigen, wie wir fliegen können, wie wir ganz bewusst handeln: vom Herzen her oder von der Bestimmung oder vom Guten her oder vom Gewaltlosen oder von der Liebe her ... . Denn wenn wir bewusst fliegen. Fliegen wir so, dass es dem Leben förderlich ist.


Das braucht allerdings Übung ... viel Übung und Mut und Leidenschaft und Freude und Abenteuer und Neugier ...


Moment mal, das klingt nach den Dingen, die das Leben lebenswert machen ...


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